Los geht’s!
Wir wollen uns während der Reise treiben lassen. Auch wenn uns die Dame aus dem Reisebüro dringend nahelegte, auf den Campingplätzen zu reservieren. Besonders an der Ostküste der USA sei es in den Sommermonaten richtig voll. Auch in Kanadas maritimem Osten seien die schönsten Plätze der Nationalparks dann ausgebucht. Aber unser Motto ist: wenn schon Wohnmobil, dann Freiheit. Als ich nach Reiseliteratur recherchiere, finde ich fast ausschließlich Bücher über Kanadas angeblich menschenleeren Westen. Ich lese, dass zwei Frauen in British Columbia auf den völlig überfüllten Campingplätzen der Nationalparks kaum unterkamen. In diesem Augenblick fühle ich zum ersten Mal die Gewissheit, dass wir uns für die richtige Seite entschieden haben.
Ich gebe ungern zu, dass ich in den letzten Wochen vor unserer Reise oft dachte, warum der ganze Stress? In der Spielgruppe meiner Zwillinge, erzählt eine Mutter von zwei Monaten Florida während des Hamburger Herbstes mit Schietwedder. Sie mieteten eine Ferienwohnung mit eigenem Pool auf der Terrasse. Die Kinder planschten darin die ganze Zeit zufrieden. Die Tochter, im selben Alter wie meine, lernte ganz nebenbei schwimmen. Die Eltern ließen derweil den Blick über Pool und Kinder hinweg auf’s dahinterliegende Meer schweifen. Als ich mit einer Freundin einen Cappuccino trinke und ihr davon berichte, schaut sie mich amüsiert an und stellt fest: „So seid ihr nur mal nicht!“ Die letzten Tage vor der Abreise hegte ich den Wunsch, das ganze Abenteuer einfach abzusagen. Wir erzählen niemandem ein Wort und verbringen stattdessen eine entspannte Zeit zu Hause. Am Tag des Abfluges scheint in Hamburg ausnahmsweise mal die Sonne. In unserem Garten blüht alles, der Himmel ist knalleblau. Zum Abschied schaukle ich eine Runde mit meiner Tochter. Richtig wehmütig bin ich, als es Zeit ist, aufzubrechen! Ich gehe mit den Kindern zu Fuß zum Flughafen, während mein Mann mit einem sehr netten Fahrer das Gepäck ins Taxi prügelt. Der Flug bis Reykjavik ist kurzweilig, die Kinder bester Laune, die Stewardessen so nett mit ihnen, wie ich es noch nie erlebte. Beim Landeanflug schüttelt der Wind unsere Maschine heftig durch. Das habe ich zum Glück ebenfalls noch nicht durchgemacht. Dann folgt etwas, das sich für mich wie eine Evakuierung anfühlt: Wir können nicht aussteigen, weil es zu sehr stürmt. Ein Tunnel ist nicht frei und es besteht die Gefahr, dass Windböen die Treppe erfassen und es zu Unfällen käme. Wir warten eine Stunde an Board der Maschine, während der Wind heftig am Flugzeug rüttelt. Unsere drei Kinder brüllen jetzt. Endlich kämpft sich Bodenpersonal in raumfahrtähnlichen Anzügen die Treppe zum Flugzeug hoch und weht dabei selbst fast weg. Ich fühle nun langsam Angst in mir hochsteigen. Wie soll ich da bloß mit den Kleinen raus? Als wir an der Reihe sind, schreien unsere Kinder hysterisch. Sie wollen sich nicht vom Bodenpersonal auf den Arm nehmen lassen. Ich versuche es selbst. Die Mütze meines kleinen Jungen weht weg, er verstummt. Er kann sich nicht selbst auf den Beinen halten. Ich versuche ihn zu tragen, kann es aber nicht. Jetzt reißt ihn mir jemand vom Bodenpersonal aus dem Arm und trägt ihn mit lauten Mama-Rufen die Treppe runter zum Bus. Mein Mann hat unseren anderen Sohn auf dem Arm. Ein Mann weiterer Mann trägt unsere Tochter. Der Wind peitscht uns den Regen ins Gesicht, bei knapp über Null Grad. Es tut richtig weh. Ich bin fassungslos und sage im Bus zu meinem Mann: „So habe ich mir allenfalls eine Notlandung vorgestellt, aber nicht ein Umsteigen auf Island.“ Ein neben mir stehender Isländer lacht und meint, es komme sonst nicht vor. Ich wünsche mich nach Hause in meine Hängematte.