Toronto
Meine Oma schwärmte von der Stadt in Übersee. Sie besuchte ihre Cousine Dorie, die nach dem Krieg auswanderte und einen Kanadier heiratete. Er war Schiffsbauer, sie Unternehmerin. Zusammen wurden sie Millionäre, mit dem Verkauf von Segeljachten. Ich bedauere zutiefst keinen Kontakt zu meiner Tante Dorie aus Kindheitstagen zu haben, als ich die Hotelpreise in Toronto studiere. Halbwegs zentral gelegen, für fünf Personen und gerne mit Frühstück, kosten rund 250 Euro die Nacht. Wow, in diesem Punkt ähnelt die Stadt tatsächlich New York, mit der sie sich selbst so gern vergleicht. Filme, die in New York spielen, werden hier gedreht, weil es günstiger ist und die Skylines verwechselbar sind. Unser Zimmer ist so winzig, dass das Gepäck nicht hinein passt. Der nette Concierge, der sich darum kümmert, besorgt uns ein Appartement mit zwei Schlafzimmern, Küche und reichlich Platz für all unser Gepäck – ohne Aufpreis! So lässt es sich leben. Unsere Laune steigt. Das Hotel versucht sich ein grünes Image zu geben und verspricht für jeden Tag, den wir das Zimmer nicht reinigen lassen, einen Baum zu pflanzen. Wir erleben die Stadt an ihren ersten schönen Sommertagen. Toronto ist grün, mit viel Wasser, die Leute sind entspannt und freundlich. Die Kanadier begeistern sich für unsere drei Kleinen und bekunden uns dies unentwegt. Im Hafen gibt es einen kleinen Swimmingpool, auf dem Kinder Tretboot fahren können. Außerdem planschen unsere Lütten begeistert mit ihren Füßen darin, während wir den Blick entspannt auf den dahinter liegenden Lake Ontario gleiten lassen. Na bitte, geht doch! Die meisten Gebäude der rund sechs Millionen Einwohner zählende Metropole sind neu, aber es gibt zwischendurch immer wieder interessante alte Gebäude. Wie das 1845 errichtete Fachwerkhaus des St. Lawrence Market. Es beherbergt mehr als 50 Feinkoststände, mit Käse, Antipasti, Backwaren, Muscheln, Weinen, Honig und selbst hergestellter Pasta. Die Leute essen direkt an den Ständen, die Stimmung ist laut und ausgelassen. Gesichtsgebend für die Stadt, ist auch das einem Schloss ähnelnde Hotel Fairmont Royal York. Die Pacific Railway errichtete es 1929 direkt gegenüber dem Hauptbahnhof. Heute stehen auf der Dachterrasse Bienenstöcke. Während unseres Aufenthaltes findet es ein Baseballspiel der Toronto Blue Jays gegen die L.A. Angels und es gibt noch Karten. Seitdem rennt unsere Tochter nur noch mit einem Cap der Blue Jays herum, auf dem ein Blauhäher aufgestickt ist. Quer durch die Hotellobby werfen die Concierges unserem Mädchen und den Jungs daraufhin mit Begeisterung Spielbaseballs als Geschenke zu. Respekt, so viel Sport- und Kinderbegeisterung habe ich persönlich noch in keinem anderen Hotel erlebt. Wir besichtigen den Canadian National Tower, einen Fernsehturm und das ehemals höchste Gebäude der Welt. Von dort haben wir einen phantastischen Ausblick auf den Ontario See, der einem Meer gleicht: am Horizont kein Land in Sicht. Es gibt einen Glasfußboden, mit Blick in die Tiefe. Unsere Tochter legt sich sofort begeistert darauf. Die Kanadier finden sie sehr mutig. Von hier oben lässt sich gut erkennen, dass Toronto mit New York nicht mithalten kann. Der Financial Distrikt, mit seinen glasverspiegelten Hochhausfassaden, ist flächenmäßig deutlich kleiner. Auf unseren Rundgängen wirkt die Stadt nicht annähernd so multikulturell wie New York. Aber immerhin scannt man im Biosupermarkt seine Waren bereits selbst. Unvorstellbar, dass Hemingway vor rund hundert Jahren bei seiner Versetzung nach Toronto, von der langweiligsten Stadt der Welt berichtete. Und Liz Taylor sowie Richard Burton in den 1960er Jahren keine Bleibe fanden, weil sie nicht verheiratet waren. Oder dass bis vor 20 Jahren der Ausschank von Alkohol an Sonn- und Feiertagen in der Stadt verboten war. Dazu passt jedoch, dass Toronto als eine der sichersten Städte der Welt gilt. Genau das richtige also, um mit Kindern erst mal anzukommen.