Kindermund tut Wahrheit kund oder…

…geht zum Fußball

Kurz vor ihrem zweiten Geburtstag gehen wir mit unserer Tochter zum ersten Mal ins Stadion. Mein Mann und ich haben Dauerkarten für den FC St. Pauli, aber seit ich schwanger war, habe ich kein Spiel mehr gesehen. Unsere Kleine hat Micky-Maus-Kopfhörer auf und alle sprechen sie daraufhin an. Ich trage sie auf dem Arm oder mein Mann sie auf den Schultern. Leider können wir uns nicht zu unseren Freunden in den Block stellen, weil es viel zu eng ist und die Dynamik eines Tores einen locker mit einer Welle ein paar Reihen nach vorne schieben kann. Aber die Ordner erlauben zu der Zeit noch, dass wir auf den Treppenaufgängen stehen. Für das Fußballspiel selbst interessiert sich unsere Tochter nicht. Dafür um so mehr für die Fans! „Mama, die Fans trinken alle Apfelschorle!“ Ich lasse sie in diesem Glauben und kläre sie auch nicht über mein Getränk im Plastikbecher auf. „Papa, die Fans essen, reden und gehen auf Toilette!“ Ja, ganz richtig erkannt! Die Gegengerade im Stehbereich mutet phasenweise eher wie eine Party an, als an ein konzentriertes Fußball gucken. Sorry Jungs! (Und Mädels…) Meine Tochter will eine Laugenbrezel und dann auf Toilette. Dort bestaunt sie die FC St. Pauli-Kacheln, mit denen sie gefliest ist. Zwischendurch halten wir einen Plausch mit Fans und sind eigentlich ständig unterwegs. Als meine Kleine im Kindergartenalter ins Stadion geht, bezeichnet sie sich selbst schon als Fan. Farben des Erzfeindes der Stadt, also blau, zieht sie nicht mehr an und will stattdessen einen Fan-Schal, ein Cap mit dem Logo des Vereins und ein FC St. Pauli-T-Shirt. Sie fragt: „Mama, warum gönnen sich der HSV und der FC St. Pauli gegenseitig nicht mal das schwarze unterm Fingernagel?“ Ähm, wie erkläre ich das? Es sind schon wegen kleiner Dinge Kriege ausgebrochen… „Im Kindergarten habe ich mit den HSV-Fans nichts zu tun, denn da wir immer in der Erde buddeln, haben wir ständig schwarze Fingernägel.“ Unsere Kleine ist jetzt schon ein bisschen groß und steht mit den Schulkindern eines Freundes direkt hinter uns auf der Treppe. Leider ist das nicht mehr erlaubt und wir feuern die Mannschaft unten vom Zaun aus an. Das hat den Vorteil, dass dort ganz viele kleine Fans hin und her rennen oder das Konfetti vom Fußboden in „Apfelsaft-Becher“ sammeln – für das nächste Tor zum Schmeißen… Der Nachteil ist ein Feeling wie im Knast: ständig hinter Gittern. Als Schulkind fordert meine Tochter jetzt einen Live-Kommentar von mir, schüttelt bei jeder Ecke meinen Schlüsselbund und sing: „ Seit klein auf stehe ich am Millerntor, jedes Spiel singe ich: Sankt Pauli vor. Egal was geschieht, ich lass´ dich nie allein, Sankt Pauli, du bist immer mein Verein!“ Dazu hüpft sie, klatscht sie und wirft die Arme in die Luft. Dann ruft sie: „Walk on, walk on, with hope in your hearts and you’ll never walk alone, you’ll never walk alone!“

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