Depression, Bitch, bist du’s?

Armin Senbusch ist Künstler. Er schreibt, singt und fotografiert. Der 52-jährige war zwei Mal verheiratet und hat einen siebenjährigen Sohn. Er wohnt in Pinneberg in einem Gartenhaus, bei Freunden. Dort findet er Ruhe. In einer Großstadt zu leben, kann er sich nicht mehr vorstellen. „Es ist mir zu laut, zu eng und zu stressig“, sagt er. „Die erste Nacht hier im Haus, habe ich wie ein Stein geschlafen. Es war so unglaublich ruhig. Mein letztes Album schrieb ich komplett in wenigen Wochen, nahm es auf und habe es geschnitten. Es lenkte mich einfach nichts ab“, erzählt er.
Armin Sengbuschs Mutter wuchs als Deutsche im Iran auf. Als sie mit ihm schwanger war, ging sie mit 20 Jahren nach Deutschland. Sein Vater ist Perser, sein Stiefvater Deutscher, sein Halbbruder vier Jahre jünger. Innige Liebe, ständige Streits und häusliche Gewalt, prägten seine Kindheit. Sport gab ihm Halt. Besonders die Begeisterung für Fußball. Früh interessierte er sich für Comedians. Bereits als Teenager hatte er eigene Bühnenauftritte. Mit 14 Jahren imitierte er in Taizé das komplette Programm des Schweizer Kabarettisten Emil Steinberger. Mit 17 Jahren führte er sein Soloprogramm vor 600 Leuten in der Schulaula auf. „Eine halbe Stunde gab ich Pantomime, eine halbe Stunde Emil. Mit einer Abschminkpause dazwischen. Es war wirklich Kleinkunst. Und das hat total gerockt. Das war Rakete!“, erinnert er sich. Er wollte Schauspiel studieren. Doch seine Eltern entschieden, dass eine kaufmännische Ausbildung nach dem Abitur das Richtige für ihn sei. „Nach einem Jahr wollte ich die Ausbildung abrechen. Ich konnte nichts damit anfangen. Meine Eltern meinten, ich hätte dann ein Jahr meins Lebens vergeudet. Also machte ich weiter. Heute denke ich, dass ich drei Jahre meines Lebens vergeudete!“, sagt er.
Armin Senbusch leidet unter einer Form der Depression, die sich Dysthemie nennt. Sie verläuft chronisch und gilt als unheilbar. Dazu plagt ihn eine bipolare Störung. Diese ist gekennzeichnet, durch wechselweise manische und depressive Phasen. „Wenn’s blöd läuft, fallen beide Formen zusammen und ich habe eine Double Depression“, sagt er. Bei diesen Schüben helfe ihm auch die Liebe nicht. In solchen Phasen sei kein anderer Mensch für ihn existent. Die Depression sei immer da gewesen. Nach der Geburt seines Sohnes begab er sich erstmals in Therapie. Er verarbeitet seine Krankheit, indem er über sie schreibt, wie in dem Buch Depressionen leicht gemacht.
Im Interview spricht Armin Sengbusch über die Liebe, zu seinem Sohn, Frauen und der Kunst:
Wie ist das gefühlte Alter?
Ich fühle mich definitiv nicht wie 52 Jahre! In dem Alter bin ich noch nicht angekommen (lacht). Aber ich merke auch, dass ich nicht mehr so jung bin. 20-jährige Poetry Slamer, mit denen ich auf der Bühne stehe, sind nicht meine Welt! Ich verstehe das alles, aber da habe ich keinen Bock drauf! Die brauchen einfach noch ihre Zeit. Da fehlt die Lebenserfahrung. Gelassenheit kann man auch als junger Mensch haben, aber es fehlt an Weitsicht. Ich finde es gut, dass den Leuten aufgrund meines Alters klar ist, dass ich weiß, wovon ich rede. In Bezug auf meine Krankheit ist es wichtig, dass die Leute sehen, man kann auch älter werden damit. Nach der Geburt meines Sohnes sagte mir der Veranstalter eines Poetry Slams: Armin, zum ersten Mal siehst du so alt aus, wie du bist! Und ich dachte: Scheiße, ich fühle mich auch um 15 Jahre gealtert (lacht).
Laut Statistiken können Menschen mit deiner Geschichte, zu 80 Prozent keine sichere Bindung zu ihren Kindern aufbauen. Zu 75 Prozent geben sie ihre eigene Geschichte weiter. Und zu 85 Prozent können sie ihr Leben lang keine stabile Beziehung eingehen… Wie sehr ängstigt das?
Was die Beziehungen anbelangt, ist mir das scheißegal! Da habe ich keine Angst. Ich meine, es gibt einen Grund, warum ich zwei Mal verheiratet war. Aber wenn ich meinem Sohn Gewalt antun würde, müsste ich mich umbringen! Ganz ehrlich, das würde ich tun!
Ihn schlagen?
Das ist für mich undenkbar! Ich könnte meinem Sohn nie wieder in die Augen gucken. Schlimm! Ich ärgere mich schon, wenn ich laut werde und sage ihm, dass es mir leid tut. Dass es mit mir durchgegangen sei. Ich erkläre ihm, warum das passiert ist. Aber Gewalt? Nee, das geht gar nicht!
Die Form der Depression gilt nicht als schwer, wie fühlt sich das an?
Die Krankheit wird immer unterschätzt, weil es heißt, es ist nicht so schlimm. Aber es ist halt dauernd nicht so schlimm. Und DAS ist schlimm! Ich muss mich jeden verfickten Tag auf das Null-Level bringen, auf dem ich nicht mehr depressiv bin. Jeden Tag! Alle anderen Menschen haben das einfach so…
Inwiefern trägt Liebe durch depressive Phasen?
Meine beste Freundin glaubt, dass ich mit der Mutter meines Sohnes zusammen war, weil sie meine Aufgabe war. Weil sie auch Probleme hatte und mich brauchte.
Was trägt noch?
Ich sage in meinem Soloprogramm immer: Ich habe instinktiv ganz viel, richtig Falsch gemacht! Ich hielt mich mit legalen Drogen über Wasser. Das heißt, ich aß tonnenweise Süßigkeiten, trank Alkohol und hechelte Frauen durch…
…also war das eine Sucht, nach dem intensiven Gefühl des frischen Verliebtseins?
Ja, genau! Nach der leidenschaftlichen Liebe. Nach den Endorphinen. Und dem damit verbundenen Kick. Das zieht dich immer hoch. Und sobald das abflaute, kam die Nächste und die Nächste und die Übernächste und immer so weiter…
Ist das überwunden?
Ja! Ich stellte fest, dass ich mich damit zwar künstlich hochziehe, aber weil es immer Yin und Yang ist, fällst du im gleichen Ausmaß auch wieder runter! Und das ist dumm gewesen. Aber deswegen habe ich so lange überlebt, mit den Methoden, die ich mir selbst aneignete.
War das rückblickend eine Form der Selbstverletzung?
Ja, natürlich! Es war in der Regel auch so, dass die Frauen mich verließen. Das richtete ich immer so ein. Teilweise bewusst, aber auch unterbewusst. Und das erzeugte bei mir ein Gefühl der Minderwertigkeit. Das ist ein großer Kreislauf der Selbstverletzung und Selbstkasteiung gewesen. Aber ich hätte es sonst nicht geschafft!
Es war eine Überlebensstrategie?
Ja! Aber keine bewusste Entscheidung. Es war, wie wenn einer meinen Sohn bedrohen würde und ich nicht darüber nachdenke, sondern mich vor ihn werfe. Genauso entschied mein Inneres, wenn du klarkommen willst, dann musst du es so und so machen.
Wie beeinflusste Liebe die Depression noch?
Mit 24 Jahren fand ich heraus, dass ich adoptiert bin. Das hatten mir meine Eltern bis dahin nicht gesagt.
Und das tat richtig weh?
Das war das Schlimmste, was mir in meinem Leben passierte! Ich habe viel Scheiß erlebt. Aber danach war ich weg. Ich redete eine Woche lang nicht. Für drei Jahre zog ich mich komplett von der Bühne zurück.
Was waren das für Jahre?
Im Nachhinein sage ich: Hätte Ehrlichkeit mein Leben begleitet, wäre etwas ganz anderes aus mir geworden. Ich war nie zu Hause. Ich war immer zerfranst. Ich war am liebsten allein. Ich fühlte mich nirgendwo wohl. Ich wusste nicht, wo ich hingehöre. Wenn ich mich bei Frauen interessant machte, mit 14, 15 oder 18 Jahren, sagte ich: Mein Vater ist Inder. Mit 24 saß ich da und dachte: Wieso habe ich das getan? Ich wusste ja gar nicht, dass mein Vater Perser war! Ab dem 24. Lebensjahr war es dann drei Jahre richtig schlimm! Richtig, richtig schlimm… Da war ich komplett verloren!

War das eine Depression?
Hm, ja… Ich glaube… Ich kann gar nicht sagen, was ich war… In erster Linie war ich fassungslos! Weil ich das alles… Ich konnte nichts mehr einsortieren… Das ist so, als ob dir jemand den Teppich unter den Füßen wegziehst und du nicht fällst… Du wirbelst so durch die Gegend und es ist als ob… Und du weißt halt gar nicht, wo bin ich eigentlich? Wo ist oben und wo ist unten? Und das fand ich so schlimm… Für mich war alles ungeklärt! Und irgendwann stellte ich fest, dass ich die Sachen auch gar nicht klären kann…
War die Mutter gesprächsbereit?
Ja und nein. Ich merkte, dass sie das alles belastet. Und ich hatte gar keinen Bock darüber zu reden. Es dauerte ein Jahrzehnt, darüber sprechen zu können… Es sind halt so viele Sachen… Erstmal die Erleichterung, dass der Typ, der dich die ganze Zeit geschlagen hat, nicht dein Vater ist. Ich habe mich schon immer gefragt… In der Pubertät stellt man ja eh alles in Frage… Aber ich habe meine Mutter nie in Frage gestellt. NIE! Verstehst du, das war für mich so undenkbar… Ich konnte lange nicht darüber reden, ohne so mit Adrenalin vollgepumpt zu sein, dass ich am ganzen Körper zitterte. Es war wie mit einem Vulkanausbruch. Vorher war die Depression auch schon die ganze Zeit da und ich merkte es auch, wie so ein schwelender Vulkan und dann brach er aus.
Wie beeinflusste das die Liebe zur Mutter?
Meine Mutter ist eine tolle Frau! Aber sie ist schwach. Eine Freundin meiner Mutter schoss ihren Mann in den Wind. Sie zog ihren Sohn alleine groß. Ich dachte immer: Warum macht meine Mutter das nicht? Sie bekam es nie hin, sich zu trennen. Alle sagten es hinter vorgehaltener Hand… Als ich mich mit der Mutter meines Sohnes über Kinder unterhielt, war klar, falls einer von uns die Hand gegen unser Kind erhebt, nimmt der andere es und geht! Ich bin immer verprügelt worden. IMMER! Mir ist ein Zahn ausgeschlagen worden. Es hieß, ja das war ein Versehen. Aber wenn du so hart zuschlägst, dann ist das kein Versehen! Er wollte mir keinen Zahn ausschlagen, aber er wollte mich schlagen. Heute ist das eine Straftat! […]
Das vollständige Interview ist in meinem Buch „Glaube, Liebe, Hoffnung“ zu lesen.

Direkt zu bestellen über mich für 24,90 Euro unter Angabe der Postadresse: https://www.paypal.com/paypalme/BookFaithLoveHope
- Herausgeber : Anke Kühne (23. Oktober 2021)
- Sprache : Deutsch
- Hardcovereinband : 144 Seiten Hochglanz
- Fadenbindung mit Kapitalband
- ISBN-10 : 3000701257/ ISBN-13 : 978-3000701252
Oder über Amazon als Kidle-Edition für 9,99 Euro:
https://www.amazon.de/Glaube-Liebe-Hoffnung-Anke-K%C3%BChne/dp/3000701257